Markt für individuelle Produkte


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Markt für individuelle Produkte

Die Anbieter von strukturierten Produkten haben derzeit mit Gegenwind zu kämpfen. Mit massgeschneiderten Papieren, Selbstbedienung und Meta-Plattformen gehen die grossen Akteure in die Offensive. 

Hans Peter Arnold

In den ersten acht Monaten dieses Jahres gingen die Umsätze an der SIX Swiss Exchange und Scoach Schweiz im Vergleich zur Vorjahresperiode um 40% zurück. Der Umsatz betrug 22,6 Mrd. Fr.; das sind nur 3,6% des Gesamtumsatzes der Schweizer Börse.

Weil der Kuchen kleiner wird, verspürt die Branche erst recht den Anreiz für Innovationen. Angebote werden auf übergeordneten Plattformen gebündelt. Das erleichtert den Kunden den Vergleich und macht den Markt insgesamt attraktiver. Zum anderen bieten immer mehr Banken das «Derivat nach Mass» an. Kunden können also genau das für sie richtige Produkt kreieren. Das individuelle Zertifikat wird bereits ab einem Betrag von 5000 Fr. angeboten und damit auch für Anleger mit beschränktem Budget. Vor zehn Jahren waren massgeschneiderte Neuemissionen erst ab einem Volumen von 1 Mio. Fr. möglich.

Trotz der tiefen Eintrittsschwelle – mit solchen massgeschneiderten Produkten hat die Branche weniger die Kleinanleger als vielmehr vermögende Private-Banking-Kunden, institutionelle Anleger und Family Offices im Fokus. Namhafte Vermögensverwalter können sich zudem mit eigenen Derivaten profilieren. Unbestritten ist, dass für das Design eines Derivats Fachwissen vorausgesetzt wird, auch wenn die Kunden heute von Computerprogrammen und Hotlines assistiert werden.

Massgeschneiderte Lösungen

Solche Design-Instrumente werden in der Fachsprache Customized Product Tools (CPT) genannt. «Damit kann der Anleger viele Gestaltungsmöglichkeiten seines Produktes simulieren und so sein persönliches Produkt zusammenstellen», erklärt Jürg Stähelin, der seit April 2011 als Geschäftsführer des Schweizerischen Verbandes für Strukturierte Produkte (SVSP) amtet.

Stähelin erklärt den Nutzen für die Banken: «Den Emittenten bieten diese Plattformen die Möglichkeit, den Emissionsprozess zu automatisieren und so die Kosten zu senken.» Meta-Plattformen würden einerseits einen Effizienzgewinn bei der Einholung der Offerten verschiedener Anbieter mit sich bringen. «Andererseits fördern Meta-Plattformen die Preistransparenz und somit den Wettbewerb.» Die Bedeutung dieser Plattformen werde in Zukunft weiter zunehmen, ist Stähelin überzeugt.

Wie eine kleine Umfrage zeigt, teilt man diesen Optimismus allerdings nicht überall. «Massgeschneiderte Produkte und die Meta-Plattformen sind vor allem ein Instrument des Marketings, das ist nicht wirklich etwas Neues», sagt ein Private-Banking-Manager, der nicht genannt werden will. Alle OTC-Derivate seien ja bereits in einem gewissen Sinne massgeschneidert.

Die Promotoren der neuen Plattformen sehen dies natürlich anders. Zu den Pionieren gehört Eric Wasescha, Chef von Derivative Partners. Der Zürcher Informationsdienstleister lancierte Ende 2011 Derivative.com. Internet-basierte Tools würden eine vollautomatisierte Abwicklung ermöglichen, sagt Wasescha. «Der Effizienzgewinn für die Emittenten ist nach einer Anfangsinvestition enorm und hilft, dank tieferen Produktions- und Vertriebskosten die anhaltende Margen-Erosion im Markt abzufedern», so Wasescha.

Im Gegensatz zu den neuen Meta-Plattformen weisen die bisher gängigen, auf einen einzigen Anbieter fokussierten Single-Plattformen Nachteile auf: Aus Käufersicht ist es unbefriedigend, die Anfrage für ein konkretes Produkt mehrfach erfassen zu müssen, um Angebote vergleichen zu können. Für Eric Wasescha ist es daher ein logischer Entwicklungsschritt, die einzelnen Online-Tools der Emittenten auf einer unabhängigen Plattform – einer Meta-Plattform – zu kombinieren. Dadurch entstehe ein echter Mehrwert für die Kunden. Diese Online-Plattformen würden sich eignen für gut informierte Investoren, welche bereits Erfahrung mit strukturierten Produkten hätten und diese regelmässig im Portfolio-Management einsetzen würden.

Der Umkehrschluss liegt auf der Hand: Für unerfahrene Investoren sind solche Tools weniger geeignet, denn sie können eine persönliche Beratung und Produkteschulung nicht ersetzen.

Nicht alle Emittenten folgen deshalb dieser Entwicklung, nicht zuletzt, um ihre Kunden exklusiv auf der eigenen Plattform zu binden. Wie auf anderen Märkten, im Tourismus etwa bei Flugreisen oder Hotelbuchungen, zu beobachten war, konnten sich Meta-Plattformen auf Druck der Kunden aber letztlich durchsetzen.

Hohe Transparenz

Das sogenannte «Best Execution»-Prinzip nimmt die Vermögensverwalter in die Pflicht, das jeweils beste Preis-Leistungs-Angebot für seinen Kunden zu ermitteln. Meta-Plattformen mit ihrer hohen Transparenz erhöhen so massgebend den Anlegerschutz, ohne dass der Branche und den Anbietern zusätzliche Regulierungsbürden auferlegt werden.

Mit Argusaugen betrachtet die Bank Vontobel die neuesten Entwicklungen. Sie hat mit ihrem Derivate-Portal Derinet und der Emissions-Plattform Deritrade eine Sonderstellung in diesem Markt erlangt. Adrian Kwasnitza, Derivate-Spezialist bei Vontobel, geht davon aus, dass die Nachfrage nach massgeschneiderten Produkten, welche die individuelle Marktmeinung abbilden, immer grösser werde. Mit Blick auf die Meta-Plattformen wendet er jedoch ein: «Sie machen Angebote von mehreren Anbietern vergleichbar. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, ob sie auch die ganze Wertschöpfungskette abzudecken vermögen, und das in derselben Qualität und bei einem vergleichbarem Automatisierungsgrad wie bei herkömmlichen Plattformen.»

Bereits seit längerem bietet UBS massgeschneiderte Produkte auf der vollautomatisierten Plattform «UBS Investor Tool» an. UBS Investor besteht aus einem Equity-Tool (UBS Equity Investor) und einem Devisen/Edelmetall-Tool (UBS FX Investor). Dies ermöglicht massgeschneiderte strukturierte Produkte für die wohlhabenden Wealth-Management-Kunden.

Die UBS hat vor mehr als zehn Jahren ein solches Tool an den Markt gebracht. «Über die letzten Jahre hinweg hat sich der Markt weg von einem Verkäufer- hin zu einem Käufermarkt entwickelt», sagt UBS-Sprecher Dominique Scheiwiller. Zudem hätten die volatilen Märkte dazu beigetragen, dass die Kunden kürzere Laufzeiten und Produkte ohne Abhängigkeit von langen Zeichnungsfristen suchen würden. «Plattformen zum Strukturieren von massgeschneiderten Lösungen, die das Portfolio gemäss individuellen Vorstellungen des Kunden ergänzen, sind deshalb sehr beliebt und werden weiter an Bedeutung zunehmen», meint Scheiwiller.

Voraussetzung für den Erfolg sei unter anderem auch ein tiefer Mindestbetrag. So könnten Vermögensverwaltungskunden massgeschneiderte Produkte möglichst diversifiziert in ihren Portfolios einsetzen. Laut Scheiwiller erlaubten solche massgeschneiderten Lösungen dem Anleger, die Risiko-Rendite-Eigenschaften nach der persönlichen Markterwartung und Präferenz festzulegen. Die Lancierung von Produkten innerhalb kurzer Zeit erlaube es, attraktive Marktsituationen sofort auszunützen. Hervorzuheben seien schliesslich flexiblere Laufzeiten und die Individualität: Der Kunde erhält seine eigene Privatplacierung mit persönlichem Valor.

Auch Thomas Baer von Credit Suisse ist überzeugt: «Online-Tools zur Herstellung von massgeschneiderten Produkten stellen einen wichtigen Faktor für die Differenzierung dar und werden von den Kunden bzw. den Kundenberatern und Vermögensverwaltern in zunehmendem Masse genutzt.»

Die Plattform der Credit Suisse werde kontinuierlich um weitere Produkttypen und Funktionalitäten erweitert. «Heute kann ein individuelles Produkt innert Minuten oder gar Sekunden hergestellt, abgerechnet und ins Depot eingebucht werden, verspricht Baer. Durch den meist hohen Automatisierungsgrad auf Emittenten-Seite werden zudem Prozesse optimiert, Fehlerquellen minimiert und Kosten gesenkt.

Bedeutung wird zunehmen

Der Bereich «massgeschneiderte Fertigung von Derivaten» habe gezeigt, dass es dafür einen Markt gibt, sagt Sinah Wolfers, die im Verkauf von strukturierten Produkten bei der ZKB tätig ist. «Wir gehen davon aus, dass die Bedeutung in Zukunft noch weiter zunehmen wird.» Die Meta-Plattformen würden dagegen noch am Anfang stehen, seien aber grundsätzlich begrüssenswert. Diese bieten eine einfache und gute Vergleichsmöglichkeit zwischen verschiedenen Emittenten.

Dabei sei es wichtig, dass die Preisunterschiede unter Berücksichtigung der jeweiligen Schuldnerqualität betrachtet werden. Coupons bei Barrier Reverse Convertibles dürfen beispielsweise nicht absolut verglichen werden, weitere Faktoren wie Emittenten spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Das sogenannte «Pricing Tool» der ZKB ist seit 2009 bei den Kundenberatern im Einsatz. Mit der Erneuerung der ZKB-Handelsplattform wird das Tool auch Privatbanken und Vermögensverwaltern zur Verfügung stehen. Das Tool bietet Kunden Zugang zur Schuldnerqualität der Zürcher Kantonalbank.

Mit diesen Produkten hat die Branche Family Offices, institutionelle Investoren und vermögende Kunden im Fokus.

Derivative.com

Im Frühjahr dieses Jahres ging mit Derivative.com die erste Meta-Plattform online. Heute nehmen bereits sieben Emittenten am Handel teil. Auf der Plattform können die Benutzer verbindliche und standardisierte Preisofferten einholen und diese sofort handeln.

Die Abwicklung (Zahlung gegen Lieferung) erfolgt auf den etablierten Kanälen der SIX Group mit den bestehenden Bankverbindungen der Benutzer. Die Benutzung ist kostenlos, eine Transaktionsgebühr wird nur beim tatsächlichen Abschluss fällig. Hans Peter Arnold

Swiss Dots

Plattform für Hebelprodukte

Wie stark der Markt im Bereich der strukturierten Produkte in Bewegung ist, zeigt auch die Lancierung des Swiss Derivatives OTC Trading System (Swiss Dots). Der Service auf Swissquote.ch entstand Ende Mai dieses Jahres in Zusammenarbeit mit Goldman Sachs und UBS. Investoren können auf der Plattform Warrants und Hebelprodukte vergleichen und direkt mit den Emittenten handeln. «Swiss Dots entwickelt sich über unseren Erwartungen», sagt Swissquote-Sprecherin Nadja Keller.

Da das Angebot auf der Plattform in Bezug auf Basiswerte, Ausübungspreise und Laufzeiten vielfältig ist, sei das Schaffen von massgeschneiderten Derivaten derzeit nicht vorgesehen. «Durch den engen Kontakt mit den Emittenten Goldman Sachs und UBS lassen wir die geäusserten Kundenwünsche jedoch einfliessen. Diese lassen sich wiederum beim Entwurf neuer Produkte berücksichtigen», sagt Keller. Hans Peter Arnold

Bank Vontobel

Mit Schulung dem Kunden helfen

Die elektronischen Emissions-Plattformen ermöglichen es, Derivate flexibel und zeitnah bezüglich Laufzeit, Währung, Basiswert und Risikotoleranz auf die jeweiligen Kundenbedürfnisse hin zu lancieren. Dabei wird der versierte Internetnutzer nicht allein gelassen.

«Mittels Schulungen und einem eigenen Supportteam fördern wir das Verständnis der Benützer und tragen dazu bei, dass für jede Marktmeinung die richtige Produktstruktur gefunden werden kann», sagt Adrian Kwasnitza von der Bank Vontobel. Massgeschneiderte Produkte würden denselben Herstellungs- und Verwaltungsprozess durchlaufen wie «Produkte ab Stange». So lassen sich eventuelle Nachteile für Anleger, zum Beispiel im Sekundärmarkt, vermeiden.

Auf der Plattform der Bank Vontobel, Deritrade.com, sind neben den hauseigenen auch Produkte von Drittemittenten verfügbar. Zudem werde dank der offenen Plattform dem Anleger auch der Zugang zum Interbankenmarkt eröffnet.

Investoren erhalten so unter mehreren angeschlossenen Optionen-Providern jeweils den besten Preis für ein angefragtes Produkt. Zudem kann man durch die Erweiterung mit Referenzanleihen den Schuldner des Produkts selber wählen und damit das Schuldnerrisiko diversifizieren.

So stehen den Anlegern auf der Vontobel-Plattform Deritrade heute mehr als 30 Schuldner aus verschiedenen Sektoren und Ländern zur Auswahl. Da die Bank ihre Plattform international anbietet, wird mit der Angabe des Steuersitzes jeweils automatisch die Dokumentation den regulatorischen Anforderungen des Domizillandes des Anlegers angepasst.

Seit diesem Jahr haben Kunden zudem die Möglichkeit, auch den Sekundärmarkt der nichtkotierten Produkte zu nutzen, womit sich das Spektrum nochmals weitet.

Hans Peter Arnold

WWW.4TREND.CH

4TREND INDICATORS analysiert Big Data. Im Fokus stehen die Affinitäten von 2,4 Milliarden Internetnutzern und über 1 Milliarde Social-Media-Anwendern. Zusätzlich sammelt 4TREND.ch  neue relevante Daten aus der Realwirtschaft und setzt diese in Bezug zu Big Data. Daraus resultieren Leading Indicators und Frühindikatoren zur (Branchen-)Konjunktur sowie Trendanalysen zu Awareness, Marken und Reputation. Frühwarnsysteme und eine Vielzahl von Rankings ergänzen das Portfolio.

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